30.8.06

Seminare, Seminare von der Wiege bis zu Bahre

Fünf Tage Seminar liegen nun hinter mir.

Ich war erstaunt, worüber man als Kapitän so alles aufgeklärt wird:

- Arbeitssicherheit
Wie bewege ich mich auf dem Vorfeld? Wann und wo muss Gehörschutz getragen werden? Welche Fürsorgepflicht habe ich für meine Besatzung in Arbeitsschutzdingen?

- Die rechtliche Stellung des "verantwortlichen Luftfahrzeugführers"
Ähnlich sperrig wie der Titel war auch der Vortrag des Juristen aus der Rechtsabteilung. Auf eine klare Ja-Nein-Frage kommt jeweils die typische Juristenantwort: "Na, das kommt drauf an....".
Es geht um einzuhaltenden Flugdienst- und Ruhezeiten, wann dürfen Passagiere von der Beförderung ausgeschlossen werden, wie ist mit an Bord vorläufig festgenommenen zu verfahren, und, und, und....

- Technical Information and Reporting
Hier wurden all die kleinen Stolperfallen der Technischen Informationssysteme noch mal "durchdekliniert": Wo finde ich welche Angaben zum Betriebszustand des Flugzeuges? Welche Defekte dürfen in welchen Kombinationen für wie lange toleriert werden? Wie wird ein Flugzeug von der Technik für betriebstüchtig erklärt werden?...

- Flugsicherheit
Hier kam eine Koryphäe des Flugsicherheitsabteilung und hielt mal wieder einen Vortrag, den ich in guter Erinnerung behalten habe:
Ich finde es immer wieder genial, wenn Leute
1) viel Spaß an ihrer Arbeit haben,
2) dies auch anderen glaubhaft vermitteln können,
3) dies in einen spannenden Vortrag kleiden können,
4) darüber hinaus fachlich absolut kompetent und trittsicher sind
5) und mit viel, viel Humor trotzdem ihre Zuhörerschaft zum Nachdenken anregen können!
Der Vortragenden machte in glasklarer Analyse die Zusmmenhänge, die zu großen Unfällen und Vorfällen weltweit geführt haben, deutlich und konnte genial aufzeigen, wie diese Dinge gerade im alltäglichen Betrieb vermieden werden können. Ich habe selten einen so genialen, spannenden und wirklich hilfreichen Vortrag gehört!

- Führungstechniken
Hier wurde von einer Psychologin und einem Kapitän Grundlagen der Menschenführung vermittelt. Ich habe mich darüber gefreut, daß der Vortrag weniger theorisierte, sondern mit vielen praktischen Beispielen versehen war, die schnell klar machten, worum es geht.

- Vorstandsarbeit
Zwei "höhere Chargen" hielten nacheinander eine Präsentation über die derzeitige wirtschaftliche Lage und strategische Ausblicke innerhalb der Firma. Auch wenn ich natürlich nicht immer ganz mit dem übereinstimme, was dort gesagt und gefordert wird, so war ich doch positiv überrascht, wieviel Zeit sich die beiden Herren, deren Terminkalender nun wirklich nicht zu den dünnsten zählt, für uns als einfache Kapitänsanwärter nahmen und mit Engelsgeduld unsere sicher nicht immer angenehmen Fragen beantworteten.


- Farb- und Stilberatung
Zuerst hielt ich den Vortragstitel für einen schlechten Scherz: Was soll ich bitte als Uniformträger mit einer Stilberatung?
Allerdings wurde ich hier auch positiv überrascht: Eine kleine sehr quirlige Dame hielt einen Vortrag über die Hintergründe der Uniformgestaltung, wie sie am besten getragen wird, wie bei unerwarteten Einladungen auch mit einer einfachen Zivilkleidung schnell ein präsentables Äußeres hergestellt werden kann.
Für mich als bekennenden "Modemuffel" war dies schon ein gewisser "Aha-Effekt".
Auch hier war erstaunlich für mich, wie mitreißend Referenten sein können, wenn sie selbst Spaß an ihren eigenen Themen haben!

Alles in allem zwei kurzweilige Seminarwochen...

Taxifahren mit Pechsträhne

Letzte Woche Montagmorgen 0545 Uhr: Ich bin auf dem Weg zu einem Seminar meines Kapitänslehrganges in Frankfurt. Am Hauptbahnhof sehe ich noch den Wagen des Taxi-Bloggers und freue mich, diesen einmal im Original betrachten zu dürfen.

Auf dem Bahnsteig angelangt merke ich, daß ich meine Fahrkarte vergessen habe. Nun ist guter Rat im wahren Sinne des Wortes teuer...
Ich kann entweder eine Fahrkarte lösen oder die andere Möglichkeit Nutzen:
Ich entscheide mich also, per Taxi meine Fahrkarte am aviatischen Weltzentrum zu holen, um mich dann per Taxi schnell nach Kassel fahren zu lassen, so daß ich noch meinen Anschlusszug nach Frankfurt erwische.

Vor dem Bahnhof ist nun leider der Taxi-Blogger bereits in den wohlverdienten Feierabend verschwunden und noch ein einziges Taxi eines großen Paderborner Taxi-Unternehmens steht in der Haltebucht.

Nachdem mir der Fahrer nur widerwillig das Fenster öffnet, frage ich ihn nach dem voraussichtlichen Fahrpreis nach Kassel und ob er EC- oder Kreditkarte akzeptieren würde.

Den Fahpreis gibt er mit ca. 150 EUR an und verneint die Akzeptanz von Karten.
Meine Bitte in diesem Fall, mit mir auf dem Weg kurz an einem EC-Automaten zu halten, schlägt er, vorsichtig gesprochen, schroff ab. Er könne mich nur mit Vorkasse mitnehmen...

Nun mache ich mich auf den Weg zum nächstgelegenen EC-Automat am Westerntor (ca. 10 Fußminuten vom Bahnhof entfernt). An diesem prangt groß die Nachricht "Dieser Automat ist leider vorübergehend außer Betrieb"...

In der Zwischenzeit habe ich per Handy den bekannten "Jamba-Zwilling" angerufen. Dort wurde mir versichert, daß ein Taxi auf dem Weg sei, das mich auch problemlos an einem Automaten vorbeifahren könne.

Wenige Minuten später hält auch schon ein Taxi mit dem bekannten CZ im Kennzeichen vor der Bank. In Eilfahrt geht es zum aviatischen Weltzentrum und anschließend halten wir auf dem Weg zur Autobahn an einem Geldautomaten, der mir auch willig Bargeld für die Fahrt ausspuckt.

Wieder im Taxi angekommen freue ich mich, daß trotz der Verzögerung noch ein Erreichen des Zuges möglich sein dürfte.

Der Taxifahrer schaut mich jedoch mit verdrehten Augen an und erklärt mir, daß ihm schwindelig sei und er so unmöglich weiterfahren könne...

Nun wird also ein Kollege gerufen, um als Ersatz für meinen kranken Chauffeur einzuspringen.
Der meinige Fahrer rafft sich noch auf, dem heranrollenden Kollegen entgegen zu fahren. Dieser meldet sich per Funk und teilt mit, daß er noch gute zwanzig Minuten von unserem aktuellen Standort Borchen entfernt sei.

Da mir nun langsam aber sicher die Zeit davonläuft, bitte ich den inzwischen merklich blassen Fahrer, noch zwei Kilometer weiter bis zu einer Mietwagenstation zu fahren. Ergebnis dieser Taxifahrt: 20 EUR verfahren und der Mainmetropole keinen Schritt näher gekommen...

Jetzt habe ich jedoch Glück im Unglück: Obwohl die Station offiziell erst um 0700 Uhr öffnet, ist jetzt um 0630 bereits eine freundliche Dame im Büro, die mir auch unkompliziert einen Wagen herausgibt.

Etwa drei Minuten vor Abfahrt des Zuges gebe ich gut durchgeschwitzt dann meinen Wagen am Bahnhof Kassel-Wilhelmshöhe ab. Für das Tanken hat es nicht mehr gereicht, ich bin gespannt auf die Rechnung, die mir dafür von der Mietfirma noch präsentiert werden wird...
Im ICE schnaufe ich erstmal gut durch, und krame den Lernstoff hervor, den ich mir eigentlich für eine ruhige gemütliche Bahnfahrt zurechtgelegt hatte...

Was tut man nicht alles, um pünktlich zu einem Seminar zu erscheinen, bei dem der erste Referent leider ausfällt, weil ihm anscheinend niemand den Termin seines erwarteten Erscheinens mitgeteilt hat.
One of these days....Oder frei "Viel Lärm für nichts...."

11.8.06

Das erste Mal

In meinem bisherigen fliegerische Werdegang erhielt ich vor meinem ersten Linieneinsatz jeweils ein Landetraining in einem leeren Flugzeug. Dafür ging es mit einem leeren Flugzeug zu einem meist etwas abgelegenem und nicht stark frequentierten Flugplatz, an dem nun jeder Kandidat seine erforderlichen Platzrunden drehte.

Dieses Unterfangen ist teuer und mit nicht unerheblichem Aufwand verbunden. Also wird auf dem Airbus versucht, dies einzusparen. Das Landetraining erfolgt also lediglich im Simulator. Die erste wirkliche Landung mit dem Flugzeug erfolgt also erst im Linientraining, wenn bereits Passagiere im Flieger sitzen...

Aber der Reihe nach:

Linientraining Tag 1:
Vier Flüge stehen auf dem Programm. Frankfurt - Mailand - Frankfurt - Nürnberg -Frankfurt.
Anschließend geht es als Passagier nach Wien.

Den ersten Flug fliegt mein Ausbilder und ich arbeite ihm zu. Hier läuft alles gut, auch die Abfertigung in Mailand funktioniert klaglos.
Auf dem Rückflug fliege dann ich und mein Ausbilder übernimmt die Rolle des "Zuarbeiters". Alles läuft wie am Schnürchen.
Im Anflug auf Frankfurt wird mir dann aber auf einmal schlagartig bewusst, daß dies ja nun meine erste wirkliche Landung auf dem Vogel werden soll.
Dementsprechend übervorsichtig taste ich mich an die Landung heran:
Schon relativ früh verringere ich die Sinkrate und lasse das Gas noch lange stehen, so daß die Landung zwar weich wird, aber auch extrem viel Landestrecke benötigt. In Frankfurt mit seinen vier Kilometern Bahnlänge ist dies kein Problem, auf kürzeren Bahnen ist soetwas jedoch unangemessen...
Von meinem Ausbilder erhalte ich entsprechende "Hinweise"...

Die weiteren Flüge verlaufen unspektakulär.

Linientraining Tag 2:
Heute geht es Wien - München - Belgrad - München - Berlin.
Der letzte Flug nach Berlin wir nochmal unerwartet spannend. Es weht ein kräftiger und böiger Seitenwind zur Landung.
Im Abfangbogen erwischt mich nochmal eine Böe.
Der Flieger driftet leicht von der Mittelllinie weg. Jetzt bricht mit voller Macht meine dummerweise noch nicht ganz untergegangene MD11-Prägung durch:
Reflexartig schiebe ich das Gas auf Startleistung und beginne ein Durchstartmanöver. Mein Ausbilder murmelt noch etwas der Art "Das wäre doch nicht nötig...", aber da ist es schon zu spät und wir sind wieder in der Luft.

Die MD11 ist vergleichsweise breit, weswegen kleine Abweichungen von der Landebahnmitte schnell dazu führen, daß ein Rad neben der Bahn aufsetzt. Aus diesem Grund wurde mir auf der MD11 entsprechend eingebläut, bei Abweichungen von der Landebahnmitte unverzüglich durchzustarten.

Bei diesem kleinen "Airbus-Gehopse" sind ein paar Meter neben der Mitte jedoch weniger dramatisch.
Ich merke, daß ich wegen des fehlenden Landetrainings einfach noch zu konservativ an die Sache gehe.

Nachdem wir in der Luft sind, grinst mein Ausbilder breit zu mir herüber: "Das erklärst du jetzt aber selbst den Gästen...".
In meiner Heimatstadt läuft gerade eine Ausstellung über den Gang nach Canossa, ganz ähnlich fühle ich mich jetzt...
Ich erinnere mich an den Spruch eines meiner B737-Ausbilder bezüglich Ansagen: "Sag einfach die Wahrheit und nichts als die Wahrheit..."
Also erzähle ich kurz, daß uns zur Landung eine Böe erwischt hat und wir jetzt einen neuen Anflug machen und in ca. 10 Minuten am Boden sein werden.

Nach der Landung im Crewbus berichtet die Kabinencrew dann eine Auswahl von Passagierkommentaren... Ich bin jedesmal erstaunt, wie unterschiedlich Menschen ein und dieselbe Situation empfinden können.

Linientraining Tag 3:
Berlin - Frankfurt - Oslo - Frankfurt
Nach dem Einrollen an den Finger in Oslo bestätigt der anwesende Rampagent der SAS über die Kopfhörerverbindung, daß die Bremsklötze vorgelegt seien. Ich löse daher die Parkbremse (das ist ein Standardverfahren, damit die Bremsscheiben besser abkühlen).
Umso größer ist der Schreck als der Flieger sich sogleich rückwärts in Bewegung setzt.
Vorsichtig drücke ich wieder auf die Bremse (tut man dies zu heftig könnte der Flieger "nicken" und somit mit dem Schwanz aufsetzen).
Auch der Rampagent ist entsprechend überrascht und entsetzt.
Es stellt sich heraus, daß eine der Bremsklötze sich gelöst hat und das Flugzeug etwa 30 cm nach hinten rollen ließ.
Ich mach beim anschließenden Rundgang noch ein paar Fotos von dem verschobenen Bremsklotz. Die Trainingsabteilung wird sich über das neue Anschauungsmaterial freuen.

Nach Ankunft in Frankfurt bekomme ich eine sehr freundliche Bewertung meines Ausbilders ausgehändigt.

Per Bahn geht es nun heimwärts. Vom Hauptbahnhof radele ich zum aviatischen Weltzentrum, wo ich gegen 2130 Uhr eintreffe. Die Kneipe hat Ruhetag, trotzdem stehen angesichts des schönen Wetters einige Gestalten auf dem Vorfeld. Spontan öffnen wir eine Flasche Rotwein und genießen alle zusammen noch ein wenig den Sonnenuntergang und die hereinbrechende Nacht.
Ich bin glücklich!