30.7.06

Magische Daten

Was für Herrn nff der Dreiundzwanzigste ist, ist im Reiche des Kranichs der 27.: Der Tag, an dem der Dienstplan für den Folgemonat veröffentlicht wird...

Ich hatte am 27. diesen Monats

gerade mein Emergency-Schulung (da geht es hauptsächlich um die schnelle Evakuierung eines Flugzeuges, was in mir immer die Assoziation zu Lemmingen aufkommen lässt...),

einen Erste-Hilfe-Kurs (was in mir die seligen Zeiten des Zivildienstes wiederaufleben lässt, als ich noch beim Malteser Hilfsdienst tätig werden durfte, böse Zungen übersetzten die Abkürzung MHD dann immer mit "Medical Helldriver", wobei ich zugeben muss, daß ich vermutlich viel zu diesem Ruf beigetragen habe...;-))

und einen dicken fetten Anschiss von der Trainingsabteilung hinter mir (Trainingsabteilungsfurie, äh -sachbearbeiterin: "Warum hat Ihr Checker auf dem Formular A38 auf der ersten Seite, mittlere Box kein Kreuzchen gemacht?". Ich: "Weil das in seiner Ausfüllanleitung so drin stand???". Besagte Sachbearbeiterin war zwischenzeitlich zu deutlicher Hochform angelaufen: "So kann ich keine Lizenz für Sie beantragen! Und überhaupt..." Dem geneigten Leser erspare ich hier die vielfältigen Schmähungen des fliegenden Personals, der Piloten im besonderen und die Klagen über die Frechheit, bei Ihr mit falsch ausgefüllten Formularen aufzutauchen...).

Als Ausgleich sah ich dann meinen Dienstplan:
Bis zum kommenden Freitag habe ich frei und werde dann auf eine Tour nach Wien und Berlin gehen. Dies wird mein erster Ausbildungsumlauf auf dem A320 werden und ich freue mich schon wie ein Schneekönig!

Nach der Anreise am Freitag, werde ich Samstag morgens um 0600 Uhr zum Briefing erwartet.
Der Tag sieht dann folgende Flüge vor:
Frankfurt-Mailand-Frankfurt-Nürnberg-Frankfurt. Anschließend geht es als Passagier nach Wien. Dort werde ich abends gegen 1700 Uhr eintrudeln und am nächsten Morgen um 0800 wieder verschwinden.
Tja, die Frachterzeiten, in denen jede Übernachtung mindestens 24h hatte, sind damit wohl definitiv vorbei...;-)

So und nun werde ich mich mit einem Kakao noch ein wenig auf die Terrasse des aviatischen Weltzentrums setzen und ein paar vom Trainer-Corps erdachte "Literaturhinweise" der Art "Alternate Planning Minima" oder "Handling of Airplane on Ramp in Strong Wind" zu Gemüte führen. Ich erhoffe mir spannende Lektüre...;-)

18.7.06

Nach dem Check ist vor dem Check...

Heute morgen war mein Simulator-Check angesetzt (Im Neusprech der europäischen Luftfahrtregularien nennt sich das jetzt "Skilltest").
Um es vorwegzunehmen: Ich habe bestanden.
Somit sind alle vier Kandidaten, die wir zusammen in das Kapitänstraining gegangen sind, heute durchgekommen.

Ich hatte das Glück, einen wirklich freundlichen und kompetenten Checker zu erwischen, der mir neben den eigentlichen Chekaufgaben auch noch viele wirklich gute Hinweise mit auf meinen Weg gegeben hat.

Der mir zugeteilte Copilot war noch extrem "dienstjung": Er war Anfang des Jahres mit seiner Ausbildung fertiggeworden und dies war nun für ihn der erste Check nach Ende seiner Ausbildung... Entsprechend nervös waren wir beide.

Glücklicherweise legte sich das im Laufe der Prüfung.
Der erste Teil waren "klassische" Fehler: Ein Generatorausfall, ein Startabbruch, div. Triebwerksausfälle.

Im zweiten Teil wurde es interessanter. Hier wurde ein kompletter Flug simuliert. Dabei erhielten wir nach dem Start eine Fehlermeldung, die uns verbot, das Fahrwerk einzufahren.

Eigentlich kein großes Ding, das Fahrwerk bleibt halt draußen und wir landen ganz normal.
Auf dem Weg zur Landung beschleicht uns als Delinquenten jedoch das konstant schlechte Simulatorgewissen: "Das ist jetzt alles? Einfach nur wieder landen? Keine Kabinenvorbereitung? Kein Mayday-Ruf? Das für einen Simulatorcheck? Das ist doch viel zu einfach. Da steckt bestimmt ein Haken hinter. Wir haben bestimmt irgendetwas übersehen!!!!"

Die Gedanken überschlagen sich bei uns beiden, aber keiner wagt, es auszusprechen.

Nach der problemlosen Landung stehen wir auf der Bahn und drehen uns zu unserem Checker mit fragenden Gesichtern um in Erwartung einer Standpauke wegen eines übersehenen Fehlers.

Auf Nachfragen erklärt er uns dann: "Ich wollte nur mal sehen, ob Ihr auch so was kleines sauber abhandelt...".
Wo stand in der Genfer Konvention noch mal das Verbot psychischer Folter...;-)
Ein Seufzer der Erleichterung entfährt mir!

Nach ein wenig Papierarbeit und einer ausführlichen Nachbesprechung mache ich mich gut gelaunt auf den Weg nach Hause.

Selbst eine einstündige Verspätung der Bahn in Kassel, die mich zur Anmietung eines Mietwagens zwingt, kann mir die Freude nicht verderben.

Den Tagesausklang verbringe ich bei einem wunderbaren Sonnenuntergang mit einem Glas Bier auf der Terrasse des aviatischen Weltzentrums: Das Leben ist schön!

Jetzt freue ich mich auf mein Landetraining im Simulator am Freitag.
Nächste Woche stehen dann die Kurse in "Erster Hilfe" und "Emergency" (da geht es um das richtige Verhalten nach Notlandungen) an.

16.7.06

Nachholbedarf...

Lange habe ich dieses Blog jetzt vernachlässigt, da mich mein Arbeitgeber doch gut auf Trab gehalten hat die letzte Zeit...

Aber ich erzähle am besten chronologisch:


15. 6.
Die erste wirkliche „Abnormal“ Schicht beginnt. Nach einer Stunde Briefing geht es mit dem Instruktor für zwei Stunden in den Simulator.

Geübt werden Windshear- und Groundproximity-Recoveries. Das sind Verfahren, die bei gefährlich werdenden „Fallwinden“ und bei zu schneller Bodenannäherung angewandt werden.

Einen der (wenigen) unschätzbaren Vorteile des Airbus darf ich hier kennenlernen.


Während auf konventionellen Flugzeugmustern vorsichtig beim Setzen des Schubes darauf geachtet werden muss, das Triebwerk nicht überzubelasten, regelt im Airbus der Computer das Triebwerk automatisch bis zu seinen Leistungsspitzen und nicht darüber hinaus. Ebenfalls verhindert er eine zu schnelle Leistungszunahme, die zu einem Stall (eine Art „Schluckauf“ des Triebwerkes) führen kann.

Im Auto wäre wohl die Antischlupfregelung das korrekte Pendant. Der Computer sorgt bei ruckartigem Tritt auf das Gaspedal dafür, daß die Reifen nicht durchdrehen und der Motor nicht abgewürgt wird...

Nachdem um 0000 Uhr mein Briefing beendet ist, bringt mich die S-Bahn leider nur zurück zum Hauptbahnhof.


Von dort will ich, wie üblich in solchen Fällen, mit dem Bahnfahrrad an dem um diese Zeit menschenleeren Mainufer heimradeln. Das ist für mich immer Entspannung pur, wenn sich die Lichter der Großstadt noch ein wenig im träge dahinfließenden Main spiegeln, während sich rundherum die Nachtruhe bereits ausgebreitet hat.

Leider habe ich meine Rechnung ohne den Fußball gemacht: Am Ufer ist Fan-Fest... Aus mit der Ruhe, aber dafür überall gut gelaunte Menschen, die mir zuprosten. Ich halte für ein Feierabendbier. Das Leben ist schön...;-)

16. 6.
Das mit dem „Das Leben ist schön.“ revidiere ich, nachdem ich nach dem Aufstehen den Umfang des noch zu bewältigenden Lernstoffes gesehen habe:

300 Seiten in einem CBT-Programm (CBT=Computer Based Training, das sind viele auf dem Computer präsentierte Bilder und Zusammenhänge, wahlweise unterlegt mit einer weiblichen oder männlichen Erzählstimme. Ich kann diese beiden Stimmen nicht mehr hören... Sollte ich die Sprecher mal zufällig auf einer Party oder einer ähnlichen Gelegenheit sehen, oder noch schlimmer hören, so wird vermutlich am nächsten Tag ein Bericht über den mysteriösen Amoklauf eines Piloten die Titelseiten der Lokalpresse zieren...).


Nebenher ist feinstes Wetter, diverse Leute machen mir telefonisch unmoralische Angebote („Hättest Du nicht Lust, heute nachmittag auf den Beach-Club?“, „Wir gehen heute abend Fußball gucken. Du kommst doch auch...“).

Ich verfluche mal wieder meine Entscheidung für ein Type-Rating im Sommer, aber das hatten wir ja schon mal... Mein zweiter Vorname ist „Inkonsequenz“...

18. 6.
Zu allem Überfluss will ich neben meinem Typerating auch noch meine Wohnung vermieten und umziehen.

Der freundliche Makler schleppt Leute durch meine Wohnung und der Bekannte, der meinen Umzug organisieren will, ruft alle paar Minuten wegen irgendwelcher Detailfragen an.

Heute mittag geht es wieder in den Sim... Ich fühle mich fürchterlich und unvorbereitet...

Der Simulator endet in einem Fiasko:
Airbus verfolgt in seinen Notverfahren die Linie, daß alle notwendigen Schritte, mehr oder minder geordnet, auf einem Bildschirm im Cockpit angezeigt werden.

Alle notwendigen Schritte? Fast alle! Nur ein winziges kleines Dorf in Gallien, äh nur die Winzigkeit von mehr als 20 Verfahren, die in einem Buch beschrieben sind...

Es ergibt sich dann also die Situation, daß ein Verfahren auf dem Bildschirm dazu auffordert, ein weiteres Verfahren im Buch abzuhandeln, das dann wiederum auf eine weiter Liste verweist. Nebenher soll man sich nun als angehender Kommandant auch noch um seinen Copiloten, seine Kabinencrew und die hochgeschätzten Gäste an Bord kümmern...

Und der Airbus überschüttet einen dann noch in der Zwischenzeit mit vielen weiteren Warnungen, die um die eigene Aufmerksamkeit buhlen...

Wie schön einfach waren doch die Boeing-Zeiten, als es noch keinen Bildschim gab und man allein schon an dem Muster der vielen aufleuchtenden Warnlampen den Fehler gut eingrenzen konnte.

Irgendwann habe ich drei oder vier Bücher aufgeschlagen vor mir liegen, nichts ist fertig und trotzdem soll zügig gelandet werden. Spätestens hier sehne ich mich nach dem Feierabend...

Das Debriefing endet mit einem kräftigen Donnerwetter des Checkers bezüglich meiner Arbeitsorganisation und das schlimme daran: Er hat Recht!


Mit etwas Ruhe und Übersicht wäre das alles viel einfacher gegangen.

19. 6.
Die nächste Schicht behandelt allerlei elektrische Fehler.


Nun lasse ich mir mehr Zeit bei der Abhandlung der Fehler und siehe da: Die Übersicht stellt sich automatisch ein. Langsam sind für mich Prioritäten in der Arbeit erkennbar. Die langen Listen sind langsam nicht mehr ganz so verworren und ich freunde mich ein wenig mit der „Bildschirmphilosophie“ an.

20. 6.

Die heutige Schicht dreht sich nur um „Low Visibility“, hinter dem Begriff verstecken sich die dicken Nebelwetterlagen, die zum Beispiel im Frühjahr die Norditalienische Tiefebene beherrschen...

Bisher war ich auf Flugzeugen, bei denen spätestens in 50 bzw. 20 ft. (15 bzw. 6 Meter) die Landebahn zu sehen sein musste. Ansonsten wurde durchgestartet. Der Airbus wartet nun mit einem für mich völlig neuem Konzept auf: Unter einer gewissen Höhe wird einfach gelandet, ohne die Landebahn zu sehen.

Außerdem war ich bisher in meiner Tätigkeit als Copilot dazu angehalten, während eines solchen Anfluges auf gar keinen Fall die Instrumente aus den Augen zu lassen, während der Kapitän fleißig nach der Landebahn Ausschau hielt.


Ich bin nun überrascht, welche optischen Eindrücke bei einem solchen Anflug auf einen als Kapitän einströmen: Nämlich erst mal lange Zeit gar keine! Erst mit dem Aufsetzen werden die ersten Landebahnlichter erkennbar. Eine wirklich spannende Sache!

Das Interessante ist übrigens, daß diese „automatischen“ Landungen einen wesentlich höheren Aufwand erfordern als die manuellen Landungen!

21. 6.

Heute fällt die Hydraulik in allen Variationen aus, die Landeklappen fahren nicht oder nur teilweise und der Airbus fliegt einfach nicht mehr so wie gewohnt (Die Airbus-Fans nennen das dann „Direct Law“.). Ich bin mitten in der Abnormal Phase... Nebenher heisst es noch, weiter vermittels der diversen Computer Based Training Programme Theorie zu lernen. Ade Ihr schönen Nachmittage am Main...

Heute steht auch mein Umzug an. Morgens vor der Simulatorschicht steht ein Umzugsteam vor meiner Haustür und macht sich an die Arbeit. Nach dem Simulator fahre ich dann mit der Bahn in Richtung meines neuen Heimes im aviatischen Weltzentrum.

Geplant war es, daß mein Umzugsmensch morgens seinen Wagen belädt und ich abends in einer fertig eingerichteten neuen Wohnung übernachten kann. Als ich abends um 2100 Uhr aus der Bahn anrufe, wo denn mein Haustürschlüssel hinterlegt sei, bekomme ich nur die kleinlaute Antwort, daß die Möbelpacker noch am laden seien. Ich fragte nun, wie lange das Ausladen des LKW denn noch dauern werde. Worauf ich die Antwort erhielt, daß ich da wohl etwas falsch verstanden hätte. Sie seien in Frankfurt noch am Einladen... Von Ausladen am Zielort könne noch gar keine Rede sein... Arrrrrrrrrggggghhhhhhhhh!!!!!!!!!!!

Ich suche mir also ein anderes Heim für die Übernachtung in meiner Heimatstadt und lasse die Möbelpacker eine Nachtschicht einlegen...

23. 6.

Ich fahre nach Frankfurt, um meine Wohnung in Frankfurt an die neuen Mieter zu übergeben. Schon seltsam, dieses mir ans Herz gewachsene Domizil in Sachsenhausen aufzugeben...

25. 6.

Von jetzt an steht in Frankfurt jeweils eine Hotelübernachtung an, denn ich bin ja kein „Frankfurter“ mehr sondern „Berliner“... Naja, für den Akzent und die Schnodderigkeit muss ich noch ein wenig üben (Als Westfale bin ich eben nicht die Ausgeburt von Flexibilität...).

Das Hotel befindet sich im wunderhübschen Stätchen Raunheim, idyllisch gelegen zwischen einem DEA-Tanklager und der Chemiefabrik Ticona...

Ich vermisse Sachsenhausen...

Heute steht die Zwischenprüfung der Abnormal-Phase auf dem Programm. Der Checker ist uns gnädig und so können wir uns die nächsten Tage weiter auf die kommenden „Abnormals“ stürzen.

4. 7.

Der Rest der Abnormal-Phase ist geschafft! Dazwischen war das Flugzeug mit Rauch gefüllt, der Kabinendruck sank rapide, Starts wurden wegen allerlei Fehlern abgebrocen, der Flieger mehrfach zur Evakuierung vorbereitet, Triebwerke fielen aus oder brannten gleich lichterloh, und, und, und...

Am Ende fragte ich mich, ob es auf dieser Welt überaupt noch funktionierende Flugzeuge gibt.

8. 7.

Die sogenannte LOFT-Phase (LOFT=Line Orientated Flight Training) beginnt gleich katastrophal!

Meine Bahn hat über eine Stunde Verspätung, ich komme total abgehetzt zum Briefing, in der ersten Übung steige ich gleich ins falsche Verfahren ein, die engine failiure recovery gelingt nur mit einigen Mühen und „Schlenkern“ und, und, und...

Einer dieser Tage, die ich am liebsten aus meinem Kalender streichen möchte.

Da für diese Phase nun auch ein neuer Checker für mich zuständig ist, wage ich mir gar nicht auszumalen, was für einen ersten Eindruck er von mir bekommen hat:

Unpünktlich, chaotisch, nervös und gelernt hat er bis hierher auch nichts...

12. 7.


Die vierte und letzte LOFT-Schicht stand an. Glücklicherweise lief sie wesentlich besser als die erste! Zu allem Überfluss war der mir zugeteilte Copilot auch noch einer der allerfittesten Sorte, so daß er mir mit viel Übersicht über alle Klippen des Programmes hinweghalf! Endlich mal wieder ein gutes Gefühl nach dem Simulator!

14. 7.

Heute stand die GPS-Einweisung auf dem Programm. Zwei Stunden lang trainierten wir Anflüge mit Satelliten-Unterstützung. Danach blieb glücklicherweise noch etwas Zeit für ein wenig Wiederholung, denn am 18. steht der Simulatorcheck auf dem Programm...

16. 7.

Um ehrlich zu sein: Ich bin ein wenig nervös. Übermorgen ist der letzte Checkflug meiner Simulatorphase und ich gehe seit ein paar Stunden noch mal den Lernstoff der letzten Wochen durch. Es ist doch ganz schön viel, was da zusammenkommt.

Draußen ist feinstes Wetter und die Segelfliegerkollegen sind heute morgen in Richtung des traditionellen Sommerlagers auf der Schwäbischen Alb gefahren. Wie gerne hätte ich einfach alles Stehen und Liegen gelassen und wäre mitgefahren!

Jetzt versuche ich der Lernerei durch etwas Blog-Schreiben zu entgehen...

So das soll dann auch die letzte Bemerkung sein. Der nächste Eintrag kommt dann am Dienstag nach dem Check...