Zuerst möchte ich um Verzeihung bitten, daß ich so lange nicht geschrieben habe! Die letzten Wochen waren recht eng geplant und ich war heilfroh, mit dem Linientraining einigermaßen Takt halten zu können. Da blieb leider für dieses Blog keine Zeit mehr. Zum Abschluss möchte ich meiner Berichtspflicht wenigstens noch rudimentär nachkommen und von meinem letzten Umlauf, dem Final-Check, berichten:
1. Tag
Auf dem Programm steht ein unspektakulärer Tag mit den Flügen Frankfurt-London-Frankfurt und abschließend noch per Nachpost nach Berlin.
Der Flieger ist in Ordnung, die Gäste kommen pünktlich, der Checker ist freundlich und alles deutet auf einen entspannten Umlauf hin, nur meine übliche Nervösität vor und bei Prüfungen will einfach nicht nachlassen.
In London weht jedoch kräftig Wind. Deshalb reduziert sich dort die Landerate und wir stehen erstmal in Frankfurt und warten auf unsere Abflugfreigabe. Die Gäste nehmen es mit britischer Stoik...
In London angekommen, hat sich der Wind dann schon gut beruhigt und es geht pünktlich wieder zurück nach Frankfurt und auch der Nachpostflug nach Berlin verläuft ruhig.
2. Tag
Berlin-München-Berlin-München-Hannover
Beim ersten Abflug aus München ist die Maschine komplett ausgebucht. Somit spreche ich mit den Damen am Gate ab, daß sie etwas früher als üblich mit dem Einsteigen beginnen können (glücklicherweise war der Tanker sehr pünktlich fertig, so daß hierfür noch etwas "Luft" im doch recht engen Zeitkorsett der Bodenabfertigung war).
Fünf Minuten vor der planmäßigen Abflugzeit kommt ein Anruf vom Gate, daß nun alle Passagiere an Bord seien. So bleibt mir noch die Zeit für eine kurze Begrüßungsansage.
Nach Ende meiner Ansage kommt die Purserette in das Cockpit und berichtet, daß zwei Passagier mehr als geplant an Bord sind!
Nun ist die Not groß: Ein Anruf am Gate ergibt, daß dort der Boardingcomputer ausgefallen war.
Nun hätte jeder einsteigende Passagier beim Einsteigen auf einer großen Liste abgehkt werden müssen. Dies war offensichtlich unterblieben. Die Mitarbeiterinnen hatten sich einzig auf die vorgezeigten Bordkarten verlassen.
Dabei war übersehen worden, daß zwei Gäste zusätzlich eine Bordkarte ausgestellt worden war (diese waren eigentlich auf einen späteren Flug gebucht gewesen), da zwei andere Gäste einen so knappen und verspäteten Zubringerflug hatten, daß mit ihrem Erscheinen nicht mehr gerechnet wurde...
Der inzwischen alarmierte Flight-Manager wollte nun zum Flugzeug eilen, um das Chaos aufzuklären und die überzähligen Gäste wieder von Bord zu holen.
In der Zwischenzeit fand sich jedoch ein als Gast mitreisender Kollege, der sich spontan bereiterklärte, auf seinen Sitzplatz in der Kabine zu verzichten und auf einem überzähligen Crewsitz Platz zu nehmen. Somit konnte sich einer der beiden überzähligen Passagiere auf dem nun freiwerdenden Platz setzen.
Gleichzeitig boten zwei wirklich freundliche Vielflieger in der ersten Reihe der Business-Class an, den zweiten überzähligen Gast in ihrer "Mitte" aufzunehmen (Üblicherweise bleibt in der Business-Class der Mittelsitz einer Dreier-Reihe frei.)...
Da der Flightmanager immer noch auf sich warten ließ, alle Passagier korrekte Bordkarten hatten und nun auch einen Sitzplatz hatten, entschloss ich mich, die Türen zu schließen und loszufliegen, um die Verspätung nicht noch größer werden zu lassen.
Mit neun Minuten Verspätung und einem leicht flauem Gefühl im Magen legten wir aus München ab (Meine Gedanken: "Was wird der Checker sagen? Da hat sich gerade sein Prüfling mal schlankweg über diverse Vorschriften hinweg gesetzt und rollt vermutlich geradewegs in das Scheitern seines Final-Check hinein...").
Im Reiseflug halte ich die Spannung nicht mehr aus. Ich drehe mich zu meinem Checker um, und frage ihn direkt, ob das Vorgehen so in Ordnung gewesen wäre. Kommentar: "Etwas unkonventionell, aber ich hätte es auch so gemacht...". Mir fällt ein Stein vom Herzen.
Die Bodenabfertigung in Berlin läuft dafür reibungslos.
Beim Anflug in München jedoch kommt ausgerechnet mitten im Anflug eine Fehlermeldung über einen fehlerhaften Fahrwerkssensor (Mein erster Gedanke: "Warum muss mir sowas ausgerechnet auf meinem Final Check passieren!").
Das dazugehörige Verfahren wird abgehandelt und siehe da, nach dem Ausfahren des Fahrwerks funktioniert wieder alles...
In München wechseln wir den Flieger, um Nachtpost nach Hannover zu bringen. Die Verladung geht so zügig, daß wir bereits 25 Minuten vor(!) der geplanten Abflugzeit unsere Position verlassen. Zur geplanten Ankunftzeit sitzen wir bereits im Bus in Richtung Hotel...
3. Tag
Frankfurt-Rom-Frankfurt-Istanbul
Von Hannover fliegen wir zuerst als Passgiere nach Frankfurt. Dort übernehmen wir eine Maschine und fliegen einen ereignislosen Flug nach Rom hin und zurück.
Von Frankfurt soll es nun mit einer anderen Maschine nach Istanbul gehen. Die nette Kabinencrew ist bereits vor uns auf dem Flieger angekommen. Der wirklich pfiffige Purser hatte direkt bei seiner Ankunft schon zwei nicht funktionierende Notausganglichter an den beiden vorderen Türen bemerkt und selbständig die Technik bestellt.
Ein Blick in die große Liste der akzeptablen Defekte, zeigte, daß wir mit einem ausgefallenem Licht hätten fliegen dürfen. Wenn beide defekt sind, hätten wir nur fliegen können, wenn der Ausgang blockiert ist und somit auch nur weniger Passgiere an Bord sein dürfen.
Da wir aber recht gut gebucht waren, schied diese Option aus.
Die inzwischen angekommene Technik tippte auf eine defekte Batterie. Da zum Ausbau der Batterie die gesamte Deckenverkleidung im Türbereich aufgeschraubt werden muss, war an ein Einsteigen von Passagieren an der vorderen Tür nicht zu denken.
Glücklicherweise hatten wir eine Vorfeldposition.
Nach kurzer Rücksprache mit dem Rampagenten, bestellte dieser noch eine zusätzliche Passagiertreppe, so daß das Einsteigen nun über den mittleren und hinteren Eingang ablief, während vorne kräftig geschraubt wurde.
Glücklicherweise zeigten sich die Gäste nach einer erklärenden Ansage sehr freundlich und geduldig!
Nach erfolgreicher Reparatur ging es mit 35 Minuten Verspätung nach Istanbul in den Feierabend.
4. Tag
Istanbul-München-Helsinki
Die Wettervorhersage von München wartet mit wolkenlosem Himmel auf. Ich freue mich auf einen problemlosen Anflug.
Eine Stunde vor München tickert der letzte Wetterbericht von München auf den Drucker im Cockpit: München, Nebel, Sichtweiten 150-300m...
Nun ist ein Anflug der Kategorie IIIb gefragt. Leider wieder ein Ding, bei dem man als Kapitän viel falsch machen kann und das ich nun noch nicht so oft gemacht habe (zwar wird dies im Simulator recht viel geübt, aber im richtigen Leben hatte ich davon im Kapitänstraining nur zwei Anflüge vorher...). Mein Ruhepuls steigt unweigerlich...
Vom Lotsen werden wir in einer weiten Schleife in den trägen Anflugstrom eingereiht (Wie bin ich froh, daß wir in Istanbul ordentlich Sprit getankt haben...).
In knapp 100 Fuß Höhe kommen die Landebahnlichter in Sicht. Geschafft.
Nachdem alle Gäste ausgestiegen sind, bereiten mein Copilot und ich die Maschine zur Übergabe an die Folgebesatzung vor, da wir in München die Maschine wechseln sollen.
Während ich noch die letzten Schaltungen mache, steht mein Copilot auf und geht kurz in die Kabine. Als er zurückkommt, richtet er mir aus, daß mein Checker mich dringend in der Kabine sprechen wolle.
Ich wundere mich etwas, stehe auf und beim Verlassen des Cockpit sehe ich, daß im vorderen Eingangsbereich die gesamte Crew versammelt steht, vor der Tür im Finger steht bereits die übernehmende Crew, alle applaudieren und mein Checker beglückwünscht mich zum bestandenen Final-Check!
Ich bin vollkommen perplex! Eigentlich hätte die Tour noch einen Tag länger für mich gehen sollen. Dieses frühe Ende hatte ich nicht erwartet.
Sechs Monate Training fallen mir als Stein vom Herzen!
Alle gratulieren: Checker, Copilot, Purser, Flugbegleiter, Techniker, selbst das schon wartenden Reinigungsteam! Ich weiß gar nicht wohin mit all dem Glück!
Von mir unbemerkt hat der Checker bereits meine Uniformmütze mit der goldenen Kapitänskordel versehen. Diese wird mir nun unter allgemeinem Gejohle aufgesetzt und mir werden die drei Copilotenstreifen von der Schulter gerissen und durch die vier Kapitänsstreifen ersetzt.
Leider muss nun meine treue Crew weiter nach Helsinki, während ich als Passagier nach Frankfurt geschickt werde.
Somit bleibt mir nur eine allerletzte Amtshandlung während der Crewbusfahrt: Schnell instruiere ich meinen Copiloten, ein schönes Abendessen für die gesamte Crew auf meine Rechnung zu organisieren oder wie es ein alter Kapitän mal so schön ausdrückte: "Das erste Kapitänsgehalt muss für die Festivitäten draufgehen!"...